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noma

Essen wie Gott in Dänemark. Zum dritten Mal hintereinander wurde das Noma vom renommierten „Restaurant Magazine“ zum besten Restaurant der Welt gekürt. Der Hype um den Kopenhagener Kulinarik-Tempel ist Küchenchef René Redzepi zu verdanken, der seine Gäste mit einer New Nordic Cuisine verwöhnt.  Kompromisse kennt der dänische Sternekoch nicht. Im Noma geht´s streng skandinavisch zu, in jeglicher Hinsicht.

Kreation "Snow Man"

Kreation „Snow Man“

Inzwischen sind es drei Jahre her, dass El Bulli unsanft vom Thron geschubst wurde. Das spanische Spitzenrestaurant, das 2011 seine Pforten schloss, durfte sich unter der Leitung von Molekularkoch Ferrán Adrià viermal hintereinander mit dem Titel „Bestes Restaurant der Welt“ schmücken. Bis so ein dänischer Jungspund daherkam, mit  nordisch-rustikal anmutenden Kreationen die Gourmetlandschaft aufmischte und Adrià die Krone abspenstig machte. René Redzepi, Küchenchef des prämierten Noma, bewies, dass er keine kulinarische Eintagsfliege ist.

Portrait Peter Brinch; Foto: Adam Mork

Portrait Peter Brinch; Foto: Adam Mork

Dem Spitzenkoch gelang der Gourmet-Hattrick: Er holte die begehrte Auszeichnung für sein Restaurant nicht nur 2010, sondern auch 2011 und  2012. Offenbar hat das „Restaurant Magazine“ einen Faible für Kost aus dem kalten Norden. Genauer gesagt, die Jury des britischen Fachmagazins, die sich aus über 800 Experten, darunter Köche und Restaurant-Kritiker, zusammensetzt. Für René Redzepi und sein Team ist der Titel selbstverständlich eine große Ehre, aber eine, die mit viel Verantwortung verbunden ist.  Wer ganz oben ist, kann tief fallen. Der Druck, erfolgreich zu bleiben, ist immens. So wartet die Genießerwelt schon seit ein paar Jahren darauf, dass das Noma endlich mit einem dritten Michelin-Stern dekoriert wird. Doch das will irgendwie nicht so recht klappen. Klar, zwei Sterne sind toll, doch drei sind besser. Das sieht auch Redzepi so. Dennoch lässt er sich von dem Sterne-Kult nicht einschüchtern. Er verfolgt konsequent seine Linie, und der Erfolg gibt dem Dänen recht.

Foto: Adam Mork

Foto: Adam Mork

René Redzepi wurde 1977 in Kopenhagen als Sohn eines mazedonischen Vaters und einer dänischen Mutter geboren. Er lernte von den Besten, von Piere-André in Kopenhagen, Thomas Keller in Kalifornien, den Brüdern Purcel in Frankreich –  und ironischer Weise auch von Ferrán Adrià. Seit 2003 ist Redzepi sein eigener Chef. Gemeinsam mit dem dänischen Fernsehkoch Claus Meyer eröffnete er das Noma in einem ehemaligen Speicher aus dem 18. Jahrhundert im Kopenhagener Stadtteil Christianshavn. Von außen schlicht, von innen schlicht, so präsentiert sich das mega angesagte Restaurant mit etwa 40 Sitzplätzen. Die zurückhaltende Eleganz passt gut. Das Interieur mit viel Holz ist nicht aufdringlich schickimicki, nicht unangenehm prätentiös, und kein Design-Overkill lenkt vom exzellenten Essen ab.

Das "Noma Lab" beherbergt ein Food-Lab, Kräutergarten, Personalbereich und Office und ist durchkonzipiert wie das Noma selbst: auch hier kamen ausschließlich nordische Materialien zum Einsatz.

Das „Noma Lab“ beherbergt ein Food-Lab, Kräutergarten, Personalbereich und Office und ist durchkonzipiert wie das Noma selbst: auch hier kamen ausschließlich nordische Materialien zum Einsatz.

Die Küche des Noma offenbart die Vielfalt der nordischen Küche mit ihren überraschend schmackhaften Zutaten. Viele sammelt der Chefkoch höchstpersönlich in Wald und Flur. Auf der Suche nach den Ingredienzien probiert sich der Däne durch die Flora, gräbt nach Trieben und Wurzeln, knabbert an Ästen und Halmen. Das, was man sonst achtlos beim Spazierengehen in der freien Natur niedertrampelt, erfährt im Noma eine Metamorphose zur Delikatesse. Das eigensinnige Kulinarik-Konzept geht auf.

René Redzepi , Noma, Zeit und Ort in der Nordischen Küche, 49,95 Euro, Phaidon/Edel, Hamburg 2011, www.edel.com

René Redzepi , Noma, Zeit und Ort in der Nordischen Küche, 49,95 Euro, Phaidon/Edel, Hamburg 2011, www.edel.com

Ob Trüffel aus Schweden, Moschusochse aus Grönland oder Tiefseekrabben von den Färöer-Inseln, Redzepi verwandelt sie in skandinavische erdverbundene Cuisine.  Eben „nordic mad“, nordisches Essen, wie der Name Noma schon sagt. Für rund 200 Euro pro Menü können die Gäste gleichermaßen ursprünglich als auch avantgardistisch schlemmen. Was auf der Speisekarte steht, entscheidet weder der Gast noch der Koch, sondern das Wetter. René Redzepi verarbeitet nur frische und ausschließlich regionale Produkte.

Wilder Thymian im Morgenreif

Wilder Thymian im Morgenreif

Tomaten und Olivenöl findet man in seiner Küche nicht, stattdessen kaltgepresstes Rapsöl, Radieschen in Nuss-Malz-Erde, eine Consommé von Roter Bete oder frittierte Wurzeln. Wenn es die Temperaturen zulassen. Ist es zu kalt, wird frisches Grünzeug knapp, dann muss der Meister improvisieren. Es kommt nur das auf den nackten Holztisch, was die nordisch-arktische  Natur so gerade im Angebot hat. Im Winter gerne mal Austern aus Limfijorden oder Langustine mit rotem Seetang, serviert auf einem Stein, der vom heimischen Strand aufgelesen wurde. Meist wird mit den Fingern gegessen, erdverbunden eben.  So kommt der Gast rundum in den Genuss eines Essens, das absolut unverwechselbar ist. Auf einen Espresso zum Abschluss muss er jedoch verzichten, denn der hat nun mal keinerlei skandinavische Tradition. Im Gegensatz zum Filterkaffee.

Blaubeeren-Variationen mit Tannennadeln

Blaubeeren-Variationen mit Tannennadeln

Für Kenner der dunklen Bohne keine wirkliche Alternative, aber das ist schließlich das Konzept des Noma. Dem bleibt der dänische Sternekoch konsequent  treu, auch wenn das nicht immer so einfach ist. Redzepis Ansprüche sind hoch. Seine Gäste sollen immer wieder mit neuen Interpretationen nordischer Köstlichkeiten verwöhnt werden. Bis jetzt ist das dem Chef mit Bravour gelungen. Zurzeit ist er einer der angesagtesten Köche der Welt. Das sehen nicht nur Gäste und Restaurantkritiker, sondern auch seine Kollegen so. Eine Auswahl internationaler Spitzenköche verliehen ihm den „Chef´s Choice Award“.  Der nordische Ministerrat ernannte ihn zum Botschafter der „Neuen Nordischen Kost“. Sogar das Titelblatt des amerikanischen „Time Magazin“ zierte die dänische Küchenikone. Anlass war Redzepis Aufnahme in die Top 100 der einflussreichsten Menschen der Welt. Soviel Anerkennung ist nicht nur für das Noma eine unbezahlbare Werbung.

Trüffeldessert: nur was die Jahreszeit "erlaubt"!

Trüffeldessert: nur was die Jahreszeit „erlaubt“!

Plötzlich erscheint die skandinavische Küche in einem ganz anderen Licht. Gourmets zeigen großes Interesse an nordischer Kulinarik, wovon  wiederum andere hervorragende skandinavische Restaurants profitieren. Auch René Redzepis Bestreben, die Esskultur in seiner Heimat zu verbessern, ist auf einem guten Weg. Dass René Redzepi an seinen Prinzipien festhält, heißt nicht, dass er unflexibel  ist. Das stellte er im Sommer 2012 unter Beweis. Da zog er während das Noma renoviert wurde samt seinem Team nach London in das Luxushotel Claridge´s, um dort während der Olympischen Spiele zehn Tage lang in einem Pop-up Restaurant  anspruchsvolle Gaumen zu betören. Aufgetischt wurde im Ballsaal des ehrwürdigen Hotels, der mit Brokat und Kristallleuchtern ein pompöses Kontrastprogramm zum schlicht-nordischen Ambiente des Noma bietet. Den Gästen war es egal, sie waren begeistert, und die rund 150 Sitzplätze waren stets ausgebucht.  Sobald es in London die Runde machte, dass der berühmte Däne im Claridge´s kochen würde, war der Teufel los. Die Reservierungshotline lief heiß, und innerhalb von ein paar Tagen gab es sage und schreibe 40 000 Reservierungsanfragen. Das Pop-up-Happening war eine Erfahrung für die Londoner und für René Redzepi. Der  Sternekoch ist immer für Überraschungen gut. So präsentiert er neuerdings ganz besondere Leckerbissen: Insekten. Zu essen, was bereits für Millionen von Menschen ganz selbstverständlich ist, scheint für den Küchenchef logisch zu sein.

Ob Ameisen oder Heuschrecken, Redzepi ist da ganz offen, nur aus dem Norden müssen sie kommen. Dass jetzt die kleinen Krabbler auf der Karte des noblen Noma stehen, hat für Aufsehen gesorgt.  Der Sternekoch hat einige Zeit experimentiert, um eine Zubereitung  zu finden, die europäischen Goûts entgegenkommt, wie die Sauce aus fermentierten Heuschrecken, die nach Bitterschokolade und Sojasauce schmeckt. Lebende Ameisen als Garnierung, die übrigens nach Zitronengras munden sollen, sind da für den Gast schon eine größere Herausforderung. Wer partout keine Gliederfüßer verspeisen möchte, findet in dem alten Kopenhagener Speicherhaus auch genügend andere ausgefallene Speisen. So sollte man immer ein Auge auf die Deko haben, es könnte der erste Gang sein. Vasen und Blumentöpfe entpuppen sich gerne mal als Füllhorn origineller skandinavischer  Leckereien. René Redzepis Visionen nordischer Avantgarde sind begehrt, die Reservierungszeiten entsprechend lang. Auf ein schmackhaftes Wald-, Wiesen- und Meer-Menü muss man mitunter drei Monate warten. Und dann? Dann darf man sich auf unvergessliche Geschmackserlebnisse freuen, in dem offiziell besten Restaurant der Welt.

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